Die Tararuas
Es kommt darauf an wo, der Schlamm wächst
Es ist interessant zu beobachten, in welcher Umgebung sich der von uns allen geliebte Schlamm manifestiert. Dort, wo er uns den Aufstieg zu den Tararuas erschwert, finden wir verwunschene Wälder mit Bäumen, die wie abgestorben wirken und von Moos überzogen sind. Im Schatten der über uns hängenden Wolken hat man das Gefühl, dass hinter jeder Ecke ein Waldschrat hervorspringen könnte, um uns gefangen zu nehmen und zu Suppe zu verarbeiten. Was er dann auch an Heiligabend tat: herausspringen, nicht kochen.
Wenn die Sonne ihre Strahlen durch das Geäst bricht, scheint es, als ob die Welt gleich ins Feenreich einlädt. Das Licht lässt bisher unerkannte Grüntöne erstrahlen.
Es ist dieses Licht, das die dunklen Hänge weniger erhellt als die gegenüberliegende, abfallende Seite, die mit überwältigender Brutalität ins Tal stürzt.
Hier bilden sich in trockenen Gegenden Treppen, deren Wurzeln weit in den Himmel ragen. An Böschungen, wo das Moos nur eine Ergänzung der Gesamtkomposition ist und nicht der Hauptbewohner. Es ist mit den winzigen Blättern gepaart, die das Licht der späten Nachmittagssonne zum Leuchten bringt. Der Farn, der sich im Licht aufrichtet und seine Blätter wie Flügel ausbreitet.
Unser erster Tag in den Tararuas endete vorzeitig an der Waiopehu Hütte, nach nur 4 Stunden gemütlichem Aufstieg abseits des eigentlichen Trails. Dieser ist zwar etwas länger, aber nicht ganz so steil und schlammig. Zumindest wurde uns das zugeflüstert. Nachgeprüft haben wir es jedenfalls nicht.
Hier zu übernachten, anstatt noch am selben Tag weiter zu wandern, führte uns also zu einer asynchronen Hüttenbelegung, im Gegensatz zu dem, was die meisten Wanderer vorhaben. Das bedeutete aber auch, dass wir den Heiligen Abend in einer alten Jagdhütte verbringen würden, die nur Platz für zwei Personen bietet. Mit der Befürchtung, dort keinen freien Platz zu bekommen.
Der Aufstieg war hart, weil wir entweder im Schlamm stecken blieben oder direkt im Schlamm saßen. Der Abstieg dagegen, weil er uns wie eine endlose Treppe vorkam, bei der sich unsere Knie bei jedem Schritt nach unten mit einem Schrei bedankten.
Bergauf motivierten uns die atemberaubenden Ausblicke auf die beiden Ozeane, die Tasmanische See und den Pazifik, die wir zu unserer Erleichterung auch bei schönem Wetter genießen konnten. Wir krochen etwas langsamer als unsere Kohorte und wurden dafür mit einem gerade noch rechtzeitig aufreißenden Himmel belohnt. Die Aussicht auf ein Bad im Fluss und eine weiche Matratze in der Waitewaewae Hütte motivierte uns für den Abstieg.
Eine Befürchtung, die sich bewahrheitete. Der Waldschrat Tyson, so treffend von der Mutter einer seiner Begleiter getauft, hatte dort mit seiner australischen Begleitung bereits sein Nachtlager aufgeschlagen.
Das Platzproblem lösten wir, indem wir mitten auf dem Trail campierten, dem einzigen Platz, der zumindest für ein Zelt Platz bot. Das war das erste Mal, dass ich mein Zelt auf seine Eignung für zwei Personen getestet habe. Nach unseren Tests würde ich es eher als eineinhalb-Personen-Zelt empfehlen. Für Leute, die dem Kuscheln nicht abgeneigt sind. Oder Kniffele, wie wir es nennen.
Nach dem anstrengenden Abstieg vom Mount Crawford von 1462 m auf 380 m haben wir uns einen Tag Pause gegönnt. Wir haben genug Essen dabei, um uns die Zeit mit Schreiben, Lesen und Baden im Fluss zu vertreiben und unseren Knien etwas Ruhe zu gönnen.
Die nächsten beiden Etappen waren ohnehin nichts, was uns das Genick hätte brechen können. Zumindest nicht in der Form, in der wir uns befinden. Eine Walddurchquerung, ein leichter Anstieg, ein Umweg vorbei an einem Erdrutsch, der uns größer geschildert wurde, als er war. Wieder einmal ein Beweis dafür, dass man sich nicht zu sehr auf die Erzählungen anderer verlassen sollte. Jeder läuft hier seinen eigenen Trail, mit seinen eigenen Erfahrungen und seiner eigenen Stamina.
Leichter als erwartet bin ich in 5 Stunden durch den Wald geflogen. Ich liebe es, die geplanten Zeiten zu unterbieten und mich selbst an meine Grenzen zu bringen. Unser heutiges Ziel war ein weiterer Fluss, der uns mit seinen tiefen Stellen die Möglichkeit gab, ein paar Kopfsprünge von einer Klippe zu machen. Nach der Erfrischung dösten wir in der Sonne.
Der letzte Tag war wieder eine Überquerung mit vielen Höhenmetern, sowohl bergauf als auch bergab. Unser Ziel war diesmal eine Kirche, die von einer Familie als Schlafsaal umfunktioniert worden war.
Jetzt haben wir es geschafft. Ich bin stolz, die über 1700 Kilometer lange Strecke über die Nordinsel gemeistert zu haben. Ein surreales Gefühl.
Ich freue mich schon auf die alpine Landschaft der Südinsel.
Da ich Logan schon in zwei Wochen bei Kilometer 2100 treffe und die Richmond Ranges als sehr hart gelten, muss ich mich etwas beeilen und ein paar lange Tage einlegen. Die Zeit des Faulenzens ist also erst einmal vorbei.
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