Arthur’s Pass – Wenig Motivation im Tank
Hanmer Springs ist ein Touristenort mit einer großen Auswahl an Restaurants, in denen wir unsere Mahlzeiten einnehmen konnten. Die Küche unseres Hostels war so gut ausgestattet, dass wir uns dort leckere Steaks und Salate zubereiten konnten. Nach unserem freien Tag und einigen Stunden im Freibad mit heißen Quellen, um unsere müden Knochen zu entspannen, und Wasserrutschen, die uns viel Spaß bereiteten, mussten wir uns wieder der harten Realität stellen.
Der Abreisetag begann gemütlich mit Kaffee und Pfannkuchen, gefolgt von einem Telefonat nach Hause. Ich kaufte für die nächsten Tage ein, um möglichst viel frisches Gemüse mitnehmen zu können. Doch bevor wir wieder wandern konnten, mussten wir erst wieder zum Trail zurück. Hanmer ist 55 Kilometer von dem Punkt entfernt, an dem wir zwei Tage zuvor ausgestiegen sind.
Also hielten Connor und ich die Daumen in der Hoffnung, jemanden zu finden, der uns eine Weile in seinem Auto mitnehmen würde. Meiner Erfahrung nach sind es die alten und klapprigen Autos, die anhalten und eine Mitfahrgelegenheit anbieten. Ein Franzose, der für ein Jahr zum Work and Travel hier ist, war sehr froh, uns helfen zu können. Genauso froh waren wir, als wir nach 40 Minuten Wartezeit mitgenommen wurden.
Im Boyle Flats Camp angekommen, trafen wir auf Brandan, der wieder wohlauf war und den wir mit großer Freude wiedergefunden hatten. Die Schwellung an seinem Arm ist sehr gut zurückgegangen, so dass er schmerzfrei wandern konnte.
Im Camp gab es auch eine Kiste mit Essen, das von anderen Wanderern zur freien Verfügung dagelassen wurde. Wir beide deckten uns noch mit zusätzlichem Proviant ein und starteten unseren 20 km Tagesmarsch.
Dieser Abschnitt stellt sich nach den letzten sehr eindrucksvollen Abschnitten als eher langweilig dar. Der Weg tröpfelt vor sich hin, ohne besonders anstrengend zu sein. Keine übermäßigen Steigungen, kaum Unebenheiten oder Schlamm. Eigentlich optimale Bedingungen, um einfach mal gemütlich auf Autopilot zu schalten und vor sich hin zu cruisen. Doch irgendwie fühlt sich mein Körper sehr träge und unwillig an. Ich schleppe mich förmlich durch die Landschaft, mir fehlt die Herausforderung.
Am Anfang kreisten meine Gedanken über zwei Stunden lang um ein emotionales Problem, das ich zwischen mir und Conner spürte. Ich fühlte mich irgendwie entfremdet, obwohl wir uns schon eine Weile kannten. Es fühlte sich wie eine Sackgasse an, in der wir uns verloren haben. Ich habe überlegt, wie ich das am besten angehen soll, wie ich mich verständlich machen kann. Flucht war meine erste Reaktion, aber diese Art der Problemlösung habe ich hinter mir gelassen. Deshalb wählte ich den Weg der Selbstoffenbarung. Vorsichtig tastete ich mich an das heran, was mir in unserem gemeinsamen Unternehmen fehlte. Ich hatte das Gefühl, dass wir nicht mehr viel zu besprechen hatten. Connor stimmte mir zu, dass zwischen uns etwas eingerostet war. Gemeinsam versuchten wir, der Sache auf den Grund zu gehen, um besser zu verstehen, was los war. Es stellte sich heraus, dass wir einfach unterschiedliche Erwartungen hatten, was wir von so einer Trailbegegnung erwarten oder inwieweit wir uns auf dem Trail anders verhalten, als wir es vielleicht zu Hause tun würden, wie weit man bereit ist, sich einer anderen Person zu öffnen. Ich bin froh, dass ich geredet habe und nicht nur in meiner Spirale versunken bin, um etwas zu lösen, was nicht nur mich betrifft.
Vor allem abends, wenn man in größeren Gruppen zusammensitzt, geht es eher um allgemeine Themen. Wenn man es nicht schafft, mit jemandem ein paar Stunden alleine zu wandern, bleibt bei den kurzen Begegnungen, die man von Tag zu Tag immer wieder hat, wenig Zeit, die Menschen um sich herum etwas näher kennen zu lernen.
Josie, mit der ich mich vorher sehr intensiv ausgetauscht hatte, ist inzwischen ein paar Tage zurückgefallen. Wo sie genau ist, kann ich nur aus den Erzählungen der anderen erahnen. Es wäre schön, sie wieder in der Nähe zu haben.
Irgendwie war ich zu verwöhnt. Die vielen schönen Etappen scheinen mich abgestumpft zu haben. Ich laufe zwar immer noch durch die schönste Landschaft, die ich mir vorstellen kann, aber trotzdem scheint meine Baseline so hoch zu sein, dass ich die letzten Tage nicht wirklich genießen konnte und mich mehr oder weniger durch die Gegend geschleppt habe. Anscheinend bin ich nicht der Einzige, dem es so geht. Inzwischen habe ich mich mit einigen anderen Wanderern unterhalten, die in dasselbe Loch gefallen sind.
Auf der Nordinsel hatten wir mit unseren Straßenetappen immer genügend Zeit, um richtig Appetit auf gute Aussichten zu bekommen. Auf der Südinsel bleiben uns diese weitgehend erspart, was im Prinzip auch sehr schön ist. Eine andere Theorie besagt, dass wir gerade alle merken, dass wir uns auf der Zielgeraden befinden oder zumindest unserem Ziel spürbar näher kommen. Was wiederum ein wenig Enttäuschung hervorruft.
Ich hatte beschlossen, auf dem Weg zum Arthur’s Pass einen Tag Pause in den Bergen einzulegen. Zum einen, um Josie die Möglichkeit zu geben, aufzuholen, zum anderen aber auch, um mir etwas Ruhe abseits einer Ortschaft zu gönnen. Ich wollte den ganzen Tag nur faulenzen, schreiben und lesen. Unterbrochen von einem Bad im Fluss.
Ich war einen halben Tag allein in meiner Berghütte. Connor ist mit ein paar Freunden schon mal losgezogen, um in der einen Tagesmarsch entfernten Kneipe ein Bier zu trinken. Gegen Mittag tauchten Noor und Tarni bei mir in der Hütte auf und beschlossen ebenfalls zu bleiben und mir Gesellschaft zu leisten. Da wir gemeinsam beschlossen hatten, gleich am nächsten Tag nach Arthur’s Pass zu trampen und die folgende Etappe mit reduziertem Gepäck zu bewältigen – den Rest ließen wir in Arthur’s Pass zurück -, hatten wir alle noch ungeplante Süßigkeiten und Mahlzeiten übrig, die wir uns im Laufe des Nachmittags beim Kartenspielen einverleibten.
Wie ich von Noor erfahren habe, hat Josefien beschlossen, Urlaub zu machen. Ich werde versuchen, sie zu erreichen, sobald ich wieder Empfang habe.
Connor fragte mich neulich, ob ich eine Idee für einen Film hätte und was das wäre, wenn das Budget keine Rolle spielen würde. Das hat mich dazu gebracht, über alte Ideen für Geschichten nachzudenken. Mir kamen drei in den Sinn, über die ich in den letzten Jahren immer wieder gestolpert war. In den folgenden Tagen begann ich, eine dieser Geschichten, die mir schon seit einiger Zeit vage im Kopf herumschwirrte, auszuarbeiten. Bisher habe ich nur ein grobes Gerüst aufgeschrieben. Es ist total spannend, während des Wanderns, quasi im Tagtraum, immer neue Facetten dieser Geschichte zu erforschen und abends das Erfundene aufzuschreiben. Hier habe ich genug Zeit, meine Gedanken kreisen zu lassen.
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