Slowenischer Hochalpinweg Tag 1 bis 4
Auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer bin ich in Slowenien gelandet.
Ich hatte schon öfter gehört, wie schön und ursprünglich die Natur dort sein soll – grüne Wälder, schroffe Berge, glasklare Seen. Und da ich ohnehin wieder raus in die Berge wollte, am liebsten mit einer langen, zusammenhängenden Strecke, bin ich beim Slowenischen Hochalpinweg gelandet.
Viel findet man online nicht darüber – zumindest nicht auf Deutsch. Das hat die Sache für mich umso spannender gemacht. Der Hochalpinweg, oder auf Slowenisch Slovenska planinska pot, ist der längste Fernwanderweg des Landes und führt in rund 600 Kilometern einmal quer durch die slowenischen Alpen – von Maribor bis nach Ankaran an der Adria.Diesmal wollte ich es etwas leichter angehen: ohne Zelt, mit reduziertem Gepäck, von Hütte zu Hütte. Ich hatte Lust auf die Berge, aber auch auf etwas mehr Spontaneität und Leichtigkeit unterwegs. Kein akribisch geplanter Etappenplan, sondern schauen, wie weit ich komme – und wie es sich anfühlt, Tag für Tag einfach weiterzugehen.
Tag 1 – Die Anreise
Start: Maribor
Ziel: Ruška koča
Strecke: 17 km
Aufstieg: 1800 hm
Abstieg: 0 hm
Die Anreise verlief zwar unkompliziert, zog sich aber ziemlich in die Länge. Ich bin von Frankfurt nach Graz geflogen und dann mit dem Zug weiter nach Maribor in Slowenien gefahren. Ich bin morgens um 9 Uhr in Ludwigshafen gestartet und kam gegen 17.30 Uhr in Maribor an. Da es nach dem Flug keinen direkten Anschluss gab, habe ich über 8 Stunden gebraucht, um dort anzukommen. Beim nächsten Mal würde ich dann den Landweg bevorzugen. Das wäre preislich auch attraktiver und zeitlich hätte es wahrscheinlich keinen nennenswerten Unterschied gemacht.
Fliegen ist, meiner Ansicht nach, zu recht sehr viel teurer geworden. Ich habe 280 € alleine für den Flug hingelegt. Wer Wanderstöcke dabei hat, muss sein Gepäck aufgeben. Dazu noch fast 60 € für Züge. Als ich in Portugal gelebt habe – das ist schon 15 Jahre her – bin ich noch für 25 € nach Porto geflogen. Eine Strecke, die sicher doppelt so weit ist, also bis Graz. So haben sich die Zeiten geändert – und doch habe ich mich selbst damals schon gefragt, wie solche Preise überhaupt möglich sein konnten.



In Maribor angekommen, habe ich mich direkt zur ersten Hütte aufgemacht, die ich mir vorher als Etappenziel ausgesucht hatte. Ich wollte nicht noch weitere Zeit in einer Stadt verbringen, obwohl der kurze Eindruck, den ich von der Flusspromenade bekommen habe, vielversprechend war. Es gab einige Bars und Restaurants voll mit Leuten, die noch ein wenig die Feierabendsonne genossen haben. Doch das viele Sitzen über den Tag hat mich weiter getrieben. Raus in die Natur.
Nach ca. 3 Stunden, 10 km und 1000 Höhenmetern – eine ordentliche Strecke für den ersten Tag, gerade mit vollem Rucksack – kam ich müde an meinem Tagesziel an, nur um zu erfahren, dass die Hütte an diesem Samstag geschlossen ist. Ich hatte es vorher telefonisch versucht, aber niemanden erreicht – vermutlich wegen der Familienfeier, die gerade in Gange war. Die Wirtin war so freundlich in einer 3 km entfernten Hütte anzurufen und mir ein Bett zu sichern.
Nach einer weiteren Stunde durch den Wald bekam ich dort ein Bett für 23 €. Nach einem exzellenten Hirschgulasch bin ich dann sehr zufrieden, aber müde ins Bett gefallen. Von einem Mann an der Bar, der Deutsch konnte, habe ich schon die ersten Brocken Slowenisch gelernt, zu denen sich über den Verlauf der Reise nur wenige mehr gesellen sollten.
Trotz Umwegen, geschlossener Hütte und müder Beine war ich angekommen – im doppelten Sinn.
Tag 2 – Hagel
Start: Ruška koča
Ziel: Ribniška koča
Strecke: 30 km
Aufstieg: 1200 hm
Abstieg: 900 hm
Das Frühstück war zwar inklusive, aber 8:30 Uhr ist mir schlicht zu spät. Mein Rhythmus lässt mich meist vor 6 Uhr wach werden – und bis ich dann tatsächlich losgekommen wäre, wäre es schon 9 Uhr gewesen. Die zwei Mädels aus meinem Zimmer, die am Abend zuvor schon geschlafen hatten, waren ebenfalls früh wach und machten sich auch gerade fertig. Sie wanderten allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Nach einem kurzen Smalltalk trennten sich unsere Wege.
Die Landschaft blieb mir über den Tag weitgehend verborgen. Der Weg führt durch dichte Wälder – wunderschön, aber ohne große Ausblicke. Fernsehen ist etwas fürs Wohnzimmer, nicht für diesen Abschnitt des Trails. Ich würde euch gerne mit meiner Kamera ein besseres Gefühl für die Umgebung geben: dichter, saftiger Nadelwald, immer wieder durchbrochen von Sonnenstrahlen, die ein Spiel aus Licht und Schatten auf den weichen Waldboden zaubern.


Keine halbe Stunde nach meiner Ankunft in der Hütte für die Nacht – ich wollte gerade meine „Wäsche“ draußen aufhängen und mir ein alkoholfreies Bier im Liegestuhl gönnen – fing es an zu regnen. Ich half noch schnell dem Personal, die letzten Tische unter Dach zu bringen, da begann es ohne jede Vorwarnung zu hageln. Wir retteten uns in einen kleinen Pavillon, der zumindest das Gröbste abhalten konnte. Der Hagel hatte gut einen Zentimeter Durchmesser und häufte sich rund um den Pavillon. Wäre ich eine halbe Stunde später angekommen, hätte es kein Entrinnen mehr gegeben. Ein beeindruckendes Schauspiel – und ein guter Hinweis darauf, wie schnell sich das Wetter in den Bergen ändern kann. Noch kurz vorher war ich in der Sonne gebraten worden und hatte kaum genug Wasser nachgefüllt.
Die Strecke der ersten Tage führt meist durch waldiges Gelände, das an den Schwarzwald oder die Vogesen erinnert. Aussicht gibt es kaum, nur gelegentlich öffnet sich eine Lichtung mit Blick ins Tal. Für mich war Slowenien bisher völlig unbekanntes Terrain – und ich genieße gerade dieses Gefühl, Neuland zu betreten.
Überrascht haben mich die Preise, die kaum günstiger sind als im Rest der Alpen oder in Deutschland – obwohl das BIP hier bei nur etwa 60 % des deutschen liegt. Ich hatte eher mit osteuropäischen Verhältnissen gerechnet. Vielleicht ist das ein überholtes Bild. Auch hier hat sich das Leben weiterentwickelt – und mit ihm das Preisniveau.


Die erste Unterkunft kostete 23 € mit Frühstück, die zweite 22 € ohne – jeweils im Matratzenlager, nicht im eigenen Zimmer. Immerhin: Durch meine Mitgliedschaft im slowenischen Alpenverein bekomme ich 20 % Rabatt. Die kostet mich 38 € im Jahr und rechnet sich damit schon nach wenigen Übernachtungen. Für mein Abendessen – ein reichliches und sehr gutes Hirschgulasch – habe ich heute 13 € bezahlt. Auch in den Supermärkten scheinen die Preise kaum niedriger als bei uns, aber das ist eher ein Gefühl als eine genaue Rechnung.
Erstaunlich finde ich, wie fremd mir die Sprache bleibt. Ich bin vielleicht zehn Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt und verstehe kein einziges Wort. Es wirkt fast, als gäbe es eine unsichtbare Grenze, die nie durchlässig war – trotz über 500 Jahren unter österreichischer Herrschaft. Dass sich die Sprache so eigenständig gehalten hat, beeindruckt mich. Deutsch sprechen hier höchstens noch ältere Menschen, die es in der Schule gelernt haben – und das werden naturgemäß immer weniger.

Selbst geschriebene Sprache gibt mir kaum einen Anhaltspunkt. Die Speisekarte lese ich mit Google Lens. Eine der Unterkünfte heute heißt „Poštarski dom pod Plešivcem“ – sinngemäß: „Das Posthaus unter der Tänzerin“. Wer soll sich das den einprägen? Die Wegweiser sind zahlreich und gut – ich brauche die Karte nur, wenn ich wieder vergessen habe, wie der unaussprechliche Name meiner nächsten Hütte lautet.


Vor dieser Reise hatte ich noch nie vom Slowenischen Hochalpinweg gehört – und auch auf meinen bisherigen Reisen habe ich bisher niemanden getroffen, der ihn kannte. Warum das so ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist das hier tatsächlich ein verborgenes Juwel.
Tag 3 – Reparatur
Start: Ribniška koča
Ziel: Poštarski dom pod Plešivcem
Strecke: 30 km
Aufstieg: 950 hm
Abstieg: 1600 hm
Für den Vormittag war schlechtes Wetter gemeldet. Als ich aufwache – ich habe die Nacht ganz allein in der Unterkunft verbracht – schüttet es draußen noch immer. Ich drehe mich noch einmal um. Doch es soll den ganzen Tag so bleiben, also stehe ich gegen sechs Uhr auf und nutze den Moment der Trockenheit, um loszugehen.

Vielleicht bleibe ich die erste Stunde noch halbwegs trocken. Dann, auf einem schmalen Trail unter Tannen, fängt es an zu regnen. Meinen Rucksack hatte ich schon am Morgen geschützt, und jetzt stülpe ich mir auch meinen improvisierten Regenschutz über – ein großer Plastiksack, der besser funktioniert als mein altes Regencape. Ich habe daraus gelernt und trage wieder eine richtige Regenjacke.

Zunächst stelle ich mich noch eine Weile unter eine Tanne, als hätte ich die Hoffnung, das Wetter würde doch ein Einsehen mit mir haben. Aber nein – das ist jetzt wohl mein Schicksal für heute.
Als wäre das nicht genug, kommt noch ein weiterer kleiner Tiefpunkt dazu: Ich laufe mit Sonnenbrille durch den Regen. Und das nicht aus Stilgründen. Am Vortag hatte ich mir selbst noch gesagt: „Sei vorsichtig.“ Dann legte ich meine normale Brille auf den Boden, um mir Sonnencreme aufzutragen. Im nächsten Moment fiel mein Rucksack um. Ob ich selbst draufgetreten bin oder der Rucksack sie erwischt hat – keine Ahnung. Ergebnis: Ein Bügel ist ab, und ich kann die Brille nicht mehr tragen.

Da ich auf die Sehstärke angewiesen bin, bleibt mir nur die Sonnenbrille mit Sehstärke. Also stapfe ich nun durch strömenden Regen, halb blind, mit dunklen Gläsern durch einen dunklen Wald. Irgendwo zwischen tragisch und komisch – das Leben auf dem Trail.

Die heutige Etappe war mit rund 15 km und knapp 800 Höhenmetern nicht die härteste, aber bei Dauerregen und eingeschränkter Sicht trotzdem fordernd. Ich bin am späten Nachmittag in der Hütte angekommen – durchgeweicht, aber zufrieden, es geschafft zu haben.
Vielleicht sind es genau diese chaotischen Tage, die einem später am klarsten im Gedächtnis bleiben.
Tag 4 –
Start: Poštarski dom pod Plešivcem
Ziel: Koča na Loki pod Raduho
Strecke: 26 km
Aufstieg: 1700 hm
Abstieg: 1100 hm
Ich habe heute früh im Spar einen Sekundenkleber gekauft – meine provisorisch reparierte Brille hält erstaunlich gut, auch nach einem ganzen Wandertag. Der Wetterbericht hatte durchgehenden Regen angekündigt, aber als es morgens noch trocken war, bin ich los.

Zum Frühstück ließ ich mir etwas zubereiten – das werde ich ab jetzt genauer erfragen. Es gab löslichen Kaffee, fettige Wurst, hellen Toast, Paté, Butter und Marmelade. Der Joghurt mit Früchten war das Highlight. Wegen des Frühstücks bin ich erst um halb acht losgekommen – und habe prompt den ersten Schauer vor der nächsten Hütte kassiert.

Donner und ein paar nahe Blitze zwangen mich zur Pause. Drei Stunden saß ich das Wetter aus, habe viel gelesen und die nächsten Etappen geplant. Mein Plan: morgen eine lange Strecke, da die Alternativen entweder zu kurz oder brutal anstrengend gewesen wären.


Später stellte sich heraus, dass die weit entfernte Hütte mittwochs geschlossen ist. Es ist Dienstag. Also wird es morgen definitiv lang.

Meine Fersen sehen wild aus – offen, großflächig wund –, aber die neuen Blasenpflaster funktionieren gut. Auch das Entfernen der Einlegesohlen macht die Schuhe bequemer, das Reiben hat aufgehört.
Der Nachmittag war ein Geschenk: Weiche Waldpfade, ein laues Lüftchen, kein Mensch weit und breit. Ich liebe dichte Wälder – nur die Fernsicht hat mir gefehlt. Aber ich weiß: Die kommt morgen wieder.
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