Wanaka
Hauptseite des Through-Hikes mit Übersicht der gelaufenen Strecke
Meine zwei verrückten Freunde, Noor und Connor, haben sich zum Ziel gesetzt, die gesamte Strecke von Tekapo nach Twizel an einem Tag zurückzulegen, 55 km in der prallen Sonne mit nur wenigen Möglichkeiten, sich im Schatten auszuruhen. Versteht mich nicht falsch, die Strecke entlang der Kanäle, die das Wasser von einem Stausee zum nächsten leiten, bietet mit dem Blick auf den Mount Cook eine wunderschöne Kulisse, die ich besser vom Fahrrad aus genossen habe. Auch die drei Stunden, die ich bis zu unserem nächsten Ziel brauchte, waren mir bei der brütenden Hitze genug.



Dort angekommen, habe ich den Nachmittag genutzt, um mich bei einer Tasse Kaffee ein wenig dem Schreiben zu widmen. Mittlerweile schreibe ich nicht nur an meinen Posts, sondern auch an meiner Geschichte, die ich jeden Tag ein bisschen weiter entwickle. Immer wieder fallen mir Dinge ein, die ich in die Geschichte einbauen könnte, aber ich finde noch nicht so richtig heraus, wie ich sie in Worte fassen kann. Ich habe mir vorgenommen, erst einmal alles so aufzuschreiben, wie es mir in den Sinn kommt, ohne mir zu viele Gedanken über die Formulierung zu machen. Erst das Grundstück abstecken, dann bauen.
Da ich eine ausklappbare Tastatur dabei habe, kommen in den Hütten immer wieder andere Wanderer auf mich zu und fragen, was ich mit der Tastatur schreibe. Eigentlich finden alle, dass das eine gute Idee ist, etwas, das sie auch gerne als kleinen Luxus dabei hätten. Die meisten führen auf die eine oder andere Weise ein Tagebuch. Meist handschriftlich, andere wie Connor als wöchentliche E-Mail an seine Freunde oder Noor, die jeden Tag einen Eintrag mit Bildern und einer Zusammenfassung in der PolarSteps-App veröffentlicht. Immer wieder höre ich auch, dass ich nicht nur meinen Blog schreibe, sondern auch an einer Geschichte. Nicht selten ist von einem Buch die Rede, von einer Idee, die ich gerne verwirklichen würde, die mir aber auch Angst macht. Es ist ein schöner Traum, den ich gerne in die Realität umsetzen würde. Es ist ein Traum, der mir im Moment noch wie ein unerreichbares Mammutprojekt vorkommt.

Um meiner Trail-Familie nicht zu entkommen, bin ich nicht, wie andere, die ganze Strecke bis nach Ohau gefahren. Diesen Teil legten wir gemeinsam zu Fuß entlang eines anderen Kanals zurück, nachdem wir uns noch einen Tag ausgeruht hatten.
Twizel hat wie Tekapo einen Disc-Golf-Platz, aber diesmal konnten wir keinen Ort finden, wo man Scheiben ausleihen kann.
In Flammen Aufgegangen
Als ich auf dem Campingplatz in Ohau ankam, fiel mir als erstes auf, dass es kaum noch Bäume gab. Vor vier Jahren haben wir noch in einem Wald gezeltet, der jetzt völlig verschwunden ist. Wie sich herausstellt, ist er vor ein paar Jahren bei einem Waldbrand komplett eingeäschert worden. Ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, was anders war. Vor vier Jahren haben wir im Schatten eines Waldes gezeltet, der jetzt einfach nicht mehr da war.



Ein weiterer Fluss
Diesmal wartete die einzige Flussdurchquerung des Trails auf uns. Die vorhergehende hätten wir eigentlich umrunden sollen. Da es lange nicht geregnet hatte, konnten wir diese ungeplante Überquerung ohne Probleme meistern. Diesmal gab es einen Plan B, eine Brücke, allerdings 5 Kilometer flussabwärts. Da die Strömung keine Gefahr darstellte, konnten wir zum Glück auf den Umweg verzichten und kamen nass auf die andere Seite. Auch hier bildeten wir vorsichtshalber eine Kette. Wie sich herausstellte, war diese noch weniger notwendig als beim letzten Mal.




Erleben und Schreiben
Es ist und bleibt schwierig, in Worte zu fassen, was wir hier jeden Tag erleben. Von außen betrachtet ist es eigentlich nur ein Schritt nach dem anderen, ein weiterer Berg, den wir erklommen haben, ein weiterer Fluss, den wir durchquert haben, ein weiterer Wald, den wir durchstreift haben. Die Tage sind so abwechslungsreich, dass man sich immer wieder daran erinnern muss, zurückzuschauen, um zu sehen, welche Augenweide man hinter sich gelassen hat.




Aus unserer Sicht ist es so viel mehr, es ist die Anstrengung, die Berge zu erklimmen, die durch die Aussicht belohnt wird, es ist die Freude, die wir empfinden, wenn wir versuchen, plätschernde Bäche und Flüsse zu überqueren, ohne nasse Füße zu bekommen, es ist das Gefühl, auf weichem Waldboden zu gehen statt auf hartem Fels.




Was sich noch weniger in Worte fassen lässt, sind die Momente und Beziehungen, die man auf dem Trail mit seinen Weggefährten hat und aufbaut. Es ist das „füreinander da sein“, das hilft, schwierige Passagen zu überwinden. Es ist das “über sich selbst lachen können”, wenn man mal ausrutscht und im Wasser landet. Es ist der tröstende Arm, an den man sich anlehnen kann, wenn es mal nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat.





Bindungen

Es ist interessant, zu erkennen, was man so mit sich herumschleppt, ohne ein Ventil zu kennen, um den Druck, der sich in einem aufbaut, abzubauen, z.B. mit anderen zu teilen. Es kostet eine gewisse überwindung, sich zu öffnen, Vertrauen zu fassen, sich wohl genug zu fühlen, um sich in die metaphorischen und physischen Arme anderer fallen zu lassen. Wir haben gelernt, unsere Gefühle zu verbergen, aus Angst, sie könnten gegen uns verwendet werden und uns verletzen. Als Nebenprodukt des Selbstschutzes tragen wir ständig Masken unseres Selbst. Masken, die uns daran hindern oder zumindest verzögern, tiefere Beziehungen aufzubauen.





Sich darauf einzulassen beruht auf Gegenseitigkeit, wer sich offenbart, bekommt eher Einblicke in sein Gegenüber. Etwas, das mir manchmal schwer gefallen ist. Sich zu öffnen führt dazu, andere besser zu verstehen und sich besser in sie hineinversetzen zu können. Ich habe mich in der Vergangenheit nie bewusst verschlossen, es war die emotionale Distanz zu mir selbst, die mich blind gemacht hat. Ich habe mich immer als angstfrei bezeichnet, aber eigentlich war ich nur “angst-bewusstlos“.





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06.03.2024 – Text überarbeitet und Fehlerkorrektur
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