Freier Fall
Hauptseite des Through-Hikes mit Übersicht der gelaufenen Strecke
Queenstown ist der perfekte Ort, um jede erdenkliche Outdoor-Sportart auszuüben, sowohl im Winter als auch im Sommer. Auf meiner Liste der Dinge, die ich auf meiner Reise noch erledigen musste, stand noch aus einem Flugzeug zu springen. Connor war sofort mit an Bord und Noor brauchte nur mäßige Überredungskunst unsererseits, um es auch zu wagen. Sie fragte mehrere Freunde und Familienmitglieder nach ihrer Meinung und bekam nur positive Rückmeldungen. Von uns dreien war sie sicherlich diejenige, die am aufgeregtesten war und am lautesten geschrien hat.

Herzschlag
Der Tandemsprung aus 4.000 m Höhe hat mich keine Überwindung gekostet, nicht einmal mein Puls hat sich merklich beschleunigt. Ich frage mich eigentlich, was es braucht, um mich in Aufregung zu versetzen. Wie geht es euch? Geht es euch auch so wie mir, dass euch kaum etwas in Aufregung versetzen kann? Bei mir fängt das Herz eigentlich nur an zu rasen, wenn ich zu lange über eine schwierige Situation nachdenke. Spontaneität und schnelles Handeln sind der Schlüssel, um nicht in Aufregung zu geraten. Ich frage mich, ob ich mir die Aufregung irgendwie abgewöhnt habe oder ob sie einfach zu mir gehört. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es war, wenn ich aufgeregt vor einer Klassenarbeit saß, die Spannung, die aufkam, oder das erste Mal, als ich unter das T-Shirt eines Mädchens griff, es küsste. Natürlich erwarte ich nicht, dass es jedes Mal wieder so sein wird, aber dieses Kribbeln im Bauch spüre ich schon lange nicht mehr, außer in den seltenen Momenten, in denen ich abwarten muss, ob die Taktik aufgeht, die ich mir für ein Spiel ausgedacht habe. Es ist das Ungewisse, das mir noch einen gewissen Kick gibt, alles leicht Kalkulierbare ist es leider nicht mehr.
Great Walks






In Neuseeland gibt es neben den „normalen“ Wanderwegen auch die „Great Walks“. Das sind extra breite Wege, die auch von weniger fitten Wanderern bewältigt werden können. Sie führen in der Regel durch besonders sehenswerte Gegenden mit der Möglichkeit, in einer Hütte mit besonderer Betreuung und einem Bett zu übernachten. Abseits davon gibt es Toiletten mit Wasserspülung, Gas zum Kochen und viel Platz zum Liegen und Ausruhen. Von anderen Wanderern habe ich gehört, dass man dort auch Einzelzimmer buchen kann. Zu beachten ist, dass diese Hütten nicht mit Landfahrzeugen erreichbar sind. Ich vermute, dass die Versorgung komplett per Hubschrauber erfolgt. Dafür wird natürlich ein Aufpreis verlangt. Ein normales Bett, in einem Dorm, kostet anscheinend schon ca. 60 € pro Nacht. Diese sind den Betten, die wir in den normalen Hütten vorfinden, sehr ähnlich. Ich möchte gar nicht wissen, was so ein Luxuszimmer kostet…

Nachdem wir aus dem Flugzeug gesprungen waren, haben wir in Queenstown noch eine Runde Sushi gegessen und sind dann zum nächsten Trail aufgebrochen. Auf der Karte stand für uns der Great Walk namens Routeburn, den wir aber erst einmal erreichen mussten. Selbst wenn wir direkt zu den Mavora Lakes gefahren wären, wie es in der Routenbeschreibung stand, hätten wir einen Fluss umfahren müssen. Unser Umweg verkürzte die Strecke zwar um einige Kilometer, trotzdem brauchten wir fast eineinhalb Stunden, um dort anzukommen.

Zum Glück mussten wir nicht lange warten, bis Noor eine Deutsche gefunden hatte, die uns bis zum Anfang des Routeburn mitnahm. Eigentlich wollte sie gar nicht so weit fahren, aber sie hatte anscheinend nichts Besseres zu tun, als ein paar Fremden einen Gefallen zu tun. Vielen Dank!






Conner und ich hatten uns bei der Frage, wie groß der Umweg über den Route Burn sein sollte, etwas versprochen. Ich ging von 32 Kilometern aus. Das war aber nur der Teil des Routeburns und nicht der Teil zurück zum TA. So wurde aus meinem geplanten Tag zwei. Das ist nicht so schlimm, aber ich würde jetzt gerne das Ende des Trails erreichen. Eigentlich wollte ich auch noch zu den Fjorden in den Milford Sounds, wo es einen weiteren Great Walk gibt. Aber dazu fehlt mir jetzt die Motivation. Jetzt bin ich froh, am Ende angekommen zu sein. So schön die Umgebung auch ist, ich kann sie gar nicht mehr richtig genießen.
Ein genauer Blick auf den Kalender zeigt mir, dass ich nicht mehr so viel Zeit habe, wie ich dachte. Für die letzten 250 km bleiben mir nur noch 8 Tage bis zum Monatsende. Nicht viel Zeit, mehr als 30 Kilometer pro Tag, die keine weiteren Ruhetage zulassen und keine allzu anstrengenden Etappen. Ich möchte es bis dahin schaffen, um rechtzeitig wieder in Wellington zu sein, noch etwas Zeit mit Logan zu verbringen und dann bald nach Sydney zu fliegen. Connor und Noor wollen sich nicht so sehr anstrengen, also heißt es bald Abschied nehmen.









Inzwischen sind wir an den Mavora Lakes vorbeigekommen, wo Logan, Sarah und ich vor vier Jahren unsere Wanderung nach Norden begonnen haben. Dieses Jahr ist es viel trockener und so müssen wir nicht wie damals durch den Schlamm (Bog) stapfen.


In den Hütten, in denen wir damals geschlafen hatten, kehrten wir diesmal nur zum Mittagessen ein. Schöne Erinnerungen an ein vergangenes Erlebnis. Damals hätte ich fast ohne Schlafsack auskommen müssen, weil ich ihn bei Logans Eltern im Auto gelassen hatte. Ich weiß nicht, wie ich die kalten Nächte überstanden hätte. In einem Zelt undenkbar, in einer Hütte mit viel Kleidung sicher möglich. Mein Glück war, dass Logans Eltern es noch bemerkt hatten und jemandem den Schlafsack in unsere Richtung mitgegeben hatten. Bis der Mann uns eingeholt hatte, war mir mein Missgeschick gar nicht bewusst. Auf meiner diesjährigen Reise habe ich nur zweimal etwas liegen lassen, den Deckel meines Kochers, was nicht so schlimm war, und meinen Beutel mit allerlei Wichtigem und Unwichtigem, wofür ich eine Tagesreise zurücklegen durfte.
Zurück auf dem eigentlichen Trail an der Greenstone Hut mussten wir uns noch einige Stunden durch einen eigentlich schönen Waldweg kämpfen. Dieser war übersät mit umgestürzten Bäumen, über die wir immer wieder klettern oder sie umgehen mussten. Ein anstrengendes Unterfangen, auf das wir alle gerne verzichtet hätten. So wurden aus den geplanten zwei Stunden eher drei. Während der Vorbereitungen für das Abendessen tauchten noch zwei besondere Gäste auf, Bruce und Zeth, die wir schon von der Nordinsel her kennen und die uns in Hamilton zu sich nach Hause und zum Grillen eingeladen haben. Die beiden kommen wie immer gut gelaunt und voller Energie auf uns zu, als hätten sie nicht gerade fast 3000 Kilometer hinter sich.



Aufgrund des Zeitdrucks haben wir uns vorgenommen, unseren nächsten Verpflegungspunkt in Te Anau innerhalb von zwei Tagen zu erreichen, zweimal 35 Kilometer. Wenn man sich große Ziele setzt, kommt einem das viel kürzer vor, als wenn man unvorhergesehene Hindernisse überwinden muss. Nach den Mavora Lakes ging es entlang des Mararoa Rivers durch einen Wald, ähnlich der Strecke vom Vortag, nur ohne all die umgestürzten Bäume. Noor hatte nach 38 km noch nicht genug und lief kurzerhand weitere 6 km zur nächsten Hütte.









Connor und ich schlugen unsere Zelte auf einer kleinen Lichtung neben einem Bach auf und philosophierten noch ein wenig über das Leben und das bevorstehende Ende des Trails, wie viel wir erreicht haben und wie stolz wir auf uns sein können. Zumindest auf der rationalen Ebene können wir uns beide mittlerweile ganz gut selbst loben, aber das emotionale Verdauen ist eine andere Sache, an der wir beide noch etwas üben müssen.
Offizielle Website von Te Araroa
07.03.2024 – Artikel überarbeitet und korrigiert
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