die letzten 200 Kilometer
Hauptseite des Through-Hikes mit Übersicht der gelaufenen Strecke
Die letzte Etappe meiner Reise durch Neuseeland hat begonnen. Es sind nur noch gut 220 km bis nach Bluff. Ich habe mir vorgenommen, Ende Februar dort anzukommen. Es ist eine kleine Herausforderung, aber es sollte machbar sein.
Ich hatte Josie schon vor Monaten versprochen, dass ich an ihrem Geburtstag da sein würde, wo auch immer sie sein würde. Damals dachte ich, ich würde vor ihr da sein, aber es stellte sich heraus, dass sie mich vor ein paar Wochen überholt hatte. Das hat mich angespornt, sie einzuholen und mein Versprechen einzulösen.
Um wieder auf den Trail zu kommen, musste ich von Te Anau ca. 25 km nach Osten trampen. Nachdem ich mich ein letztes Mal mit Proviant eingedeckt und mit meiner Trailfamilie ein letztes Mal ausgiebig gefrühstückt hatte, machte ich mich auf den Weg zum Highway. Kurz vor dem Ortsende sah ich in der Ferne ein bekanntes Gesicht.
Es war die Amerikanerin Addison, die ich ganz am Anfang auf der Nordinsel kennengelernt hatte und die mir immer wieder über den Weg lief. Ohne sie hätte ich sicher noch länger auf eine Mitfahrgelegenheit warten müssen. Als Frau ist es in der Regel etwas einfacher, mitgenommen zu werden. Ich glaube, ich sollte mir die Haare noch viel länger wachsen lassen und die Beine rasieren.
Es stellte sich heraus, dass die Dame, die uns abgeholt hatte, eine Zeit lang in Berlin gelebt hatte, und zwar 1953. Unglaublich, jemanden zu treffen, der Deutschland noch vor der Mauer erlebt hatte. Leider konnte sie nicht so gut hören, so dass wir Schwierigkeiten hatten, uns mit ihr zu unterhalten.
Für die nächsten Tage war Regen angesagt. Da ich in den letzten Wochen viel Sonne abbekommen habe, macht mir das nichts aus. Wenn ich erst einmal in Schwung bin, wird mir auch nicht so schnell kalt. Die vielen Anstiege heizen mich zusätzlich von innen heraus auf. Wenn ich mir einmal ein Ziel gesetzt habe, kann ich nur noch mit vollem Elan fahren.
Bei teilweise strömendem Regen kämpfte ich mich Schritt für Schritt den Hang hinauf, die Stöcke mit aller Kraft in den Boden gerammt, um mir zusätzlichen Auftrieb zu geben. Oben angekommen, klarte es vorübergehend etwas auf und ich hatte einen Blick auf schroffe Felsen inmitten von Tassoks und Wäldern.
Am Horizont entdeckte ich einen anderen Wanderer, den ich einzuholen versuchte. Leider dauerte es länger als erwartet. Die schlecht sichtbaren Markierungen zwischen dem hohen Gras machten es fast unmöglich, den eigentlichen Weg zu finden und so musste ich mir meinen eigenen Weg suchen. Zwischen den unzähligen Büscheln hört man immer wieder ein kleines Rinnsal plätschern. Leider nicht immer rechtzeitig. So kam es das eine oder andere Mal vor, dass einer meiner Füße in einem Wasserloch verschwand.
Ich hatte nur wenige Pausen eingelegt, um den Tag mit fast 40 km nicht noch mehr in die Länge zu ziehen. So habe ich nur alle paar Stunden einen Müsliriegel gegessen und nur gegen 15 Uhr für eine halbe Stunde in einer Hütte zum Mittagessen angehalten. Ein älterer Mann, der aus der anderen Richtung kam, warnte mich vor der Länge der nächsten Etappe. Er hätte dafür 6 Stunden gebraucht. Da dies mit der DOC-Zeit übereinstimmte, hat mich das nicht weiter verunsichert, da ich eh immer doppelt so schnell bin.
Wie geplant kam ich nach 9 Stunden in der Hütte an. Eigentlich dachte ich, dass ich dort zelten müsste, da ich schon gehört hatte, dass einige Leute vor mir da waren und die Hütte nur 4 Betten hat. Wie sich herausstellte, war nur Ramona da, eine Österreicherin, die ich schon ein paar Mal getroffen hatte. Alle anderen hatten sich entschieden, weiter zu gehen.
Nach einer erholsamen Nacht startete ich voller Tatendrang in die nächste Etappe. Wieder lagen knapp 40 Kilometer vor mir. Wie fast jeden Tag von nun an. Die ersten Stunden ging es steil den Berg hinauf zu dem Zeltplatz, wohin sich am Vortag die Kameraden von Ramona aufgemacht hatten. Die auf dem Schild angegebenen 6 Stunden für 9 Kilometer kamen mir fast wie ein Witz vor. Ich schaffte es ohne große Anstrengung nach 2,5 Stunden. Auf dem weiteren Weg machte mich ein Bauer darauf aufmerksam, dass er auf keinen Fall möchte, dass man über sein Land läuft.
So wurde der Trail über einen weiteren Hügel umgeleitet, den man eigentlich leicht auf einem Feldweg hätte umgehen können. Ich achtete zunächst nicht auf das Schild und trabte einfach weiter. Was hätte da schon passieren können? Auf halbem Weg, bis dahin außerhalb meines Blickfeldes, tauchte ein Bauernhof auf. Ich dachte, ich könnte mich einfach durchschlängeln, aber ich wollte auch keinen Stress verursachen, der sich später auf andere TA-Wanderer auswirken könnte. Also machte ich auf der Ferse kehrt und lief zurück zum eigentlichen Trail. Wie ich den Kommentaren der Far Out App entnehmen konnte, scheint es einmal einen Vorfall gegeben zu haben, bei dem ein Wanderer in eine dem Farmer gehörende Hütte eingebrochen ist, dort geschlafen und Essen gestohlen hat. Seitdem scheint er nicht mehr so zimperlich zu sein, wenn es darum geht, sein Land zu durchqueren.
Bei der ersten Gelegenheit mit Empfang habe ich mein Handy aus dem Flugmodus geholt, um zu sehen, ob es etwas Neues von Josie gibt. Sie hat mir nicht ganz deutlich gemacht, dass sie einen Pausentag eingelegt hat. Also habe ich sie noch am selben Tag abgeholt. Es war ein fröhliches Wiedersehen, mit Kuscheln und Umarmen und so. Untergebracht waren wir auf einem Bauernhof, der ein kleines Häuschen mit Schlafraum und Kaminzimmer für Wanderer zur Verfügung gestellt hatte. Das Feuer strahlte so viel Gemütlichkeit aus, dass es Josie und ihre Freundin Peta einen ganzen Tag lang gefangen hielt. Nach einem langen, kalten Tag waren eine heiße Dusche und der Kamin genau das Richtige, um mich wieder in Schwung zu bringen.
Da Josie und ich uns lange nicht gesehen hatten, gab es viel nachzuholen und es dauerte eine Weile, bis wir uns wieder aneinander gewöhnt hatten. Bei uns beiden ist viel passiert, jeder wächst und verändert sich durch so eine Erfahrung wie dem Te Araroa. Man lernt die unterschiedlichsten Menschen kennen, verbringt viel Zeit mit ihnen und teilt mit manchen auch sehr intime Dinge und Momente. Hier scheint das, was man in einem bestimmten Zeitraum erlebt, viel komprimierter zu sein. Sich ein paar Wochen nicht zu sehen, kommt einem dann fast wie eine halbe Ewigkeit vor.
Anscheinend haben es die Planer von Te Araroa geschafft, dass zum Schluss noch einmal alle guten Dinge zusammenkommen. Auf den letzten 200 km mussten wir noch einmal große Höhen überwinden, durch knietiefen Schlamm waten, einen langen Strand entlang wandern und auch noch einige Kilometer auf der Straße zurücklegen. Fast wie eine Zusammenfassung dessen, was uns in den letzten Monaten beschäftigt hat.
Am Vorabend des letzten Tages treffen sich noch einige Wanderer in Invercargill. Es scheint, als ob sich hier alle noch einmal treffen, bevor es auf die letzte Etappe geht. Bekannte Gesichter tauchen auf, die ich schon lange aus den Augen verloren hatte. Wie schon beschrieben, hatte ich durch die Logbücher der Hütten einen recht guten Überblick, wer so vor mir steht. Eine große Frage, die sich mir immer wieder stellt, ist, wie viele noch nach uns kommen. Man meldet sich zwar für den Trail an, was ja keine Pflicht ist, aber es scheint keine Updates zu geben, wer wann und wo den Trail beendet hat. Mein Vorschlag wäre, jeden, der sich angemeldet hat, nach einer gewissen Zeit per E-Mail zu bitten, einen Abschlussfragebogen auszufüllen. So könnte man z.B. auch feststellen, wie viele Leute tatsächlich am Ziel angekommen sind.
Offizielle Website von Te Araroa
07.03.2024 – Überarbeitet und korrigiert
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