Quilotoa – Ecuador
Wenn mich jemand fragt, was mich glücklich macht, dann ist es sicher das Wandern bei schönem Wetter. Vor ein paar Tagen habe ich ein lang ersehntes Paket aus den USA erhalten. Darin waren unter anderem neue Wanderstiefel, ein Garmin zum Navigieren und Routenverfolgen und eine neue Regenhaube für meinen Rucksack.
Meine alten Stiefel hatte ich in Kolumbien voreilig entsorgt. Voreilig deshalb, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass es in Ecuador keine Schuhe in meiner Größe gibt. Dabei habe ich nur eine schlanke 47.
Am ersten Tag bin ich mit dem Bus von Latacunga nach Sigchos gefahren. Sofort stolperte ich voller Elan aus dem Bus und zog mir die neuen Schuhe über. Auch das GPS, das für diese Reise völlig übertrieben war, bekam seine erste Taufe. Bevor ich es unter realen Bedingungen abseits der Piste einsetze, will ich genau wissen, wie es funktioniert. Mit dem klobigen Ding an meinem Rucksack sah ich sicher albern aus, als würde ich den Mount Everest als Erster besteigen.
Auf einem kleinen Markt habe ich mir noch eine lokale Delikatesse zum Mittagessen gekauft, Meerschweinchensuppe. Oder sollte ich besser sagen Meerschweinchenknochensuppe. Viel mehr gab es eigentlich nicht. Ich würde sie in die Kategorie “Ich könnte auch ohne sie leben” einordnen. Na ja, ein bisschen Energie hat sie gebracht, angereichert mit ein paar Kartoffelstückchen.
Zuerst ging es bergab zu einem Fluss und auf der anderen Seite gleich wieder bergauf, vorbei an saftigen Weiden, die kaum bewohnt waren. Ich wunderte mich die ganze Zeit, warum so wenig Tiere zu sehen waren. Wie ich später von einem Farmer erfuhr, scheint es im Moment zu trocken zu sein. Die Regenzeit beginnt erst wieder Ende September. Was für die Bauern schlecht ist, ist für die Wanderer gut.
Am Tagesziel angekommen, wollte ich eigentlich mein Zelt aufschlagen, aber ich hatte keinen Proviant für das Abendessen dabei und der kalte Wind machte mir zu schaffen. Die warme Dusche und eine Partie Schach mit einem Israeli waren mir dann doch lieber.
Der zweite Tag begann nach ein paar weiteren Schachpartien erst so richtig. Die Landschaft wurde immer malerischer. Immer wieder ging es steil auf und ab, bis hinauf auf über 3000 Meter. Da ich nicht mehr genug Geld hatte, ja, die Geschichte wiederholt sich, habe ich mir in Chucchilan nur ein kleines Mittagessen gegönnt und Proviant für die Nacht gekauft. Alle anderen Mitreisenden hielten hier an. Ich lief noch ca. 5 km weiter, um es mir in meinem Zelt am Fluss gemütlich zu machen. Leider war der Fluss nur ein Rinnsal und es gab keine flache Stelle. Also beschloss ich, auf die andere Seite der Böschung zu gehen und dort nach flachem Land zu suchen.
Oben angekommen, empfingen mich ein Bauer und sein Vater, die mir auf meine Bitte hin erlaubten, auf ihrem kleinen Stück Land zu zelten. Zum ersten Mal in meinem Leben auf über 3000 m Höhe. Nachdem ich das Zelt aufgebaut hatte, wobei mich der kleine Neffe Juti die ganze Zeit beobachtete, halfen wir gemeinsam seinem Onkel Segundo, Alfalfa für dessen Meerschweinchen zu jäten. Mit einem Messer, das wie eine Sichel aussieht, schneidet man die ganze Pflanze an der Wurzel ab. Dabei erzählt er mir, dass seine Familie untereinander nur Quechua spricht, die Sprache der Ureinwohner. Für mich völlig unverstehbar.
Er erzählte mir auch, dass seine beiden ältesten Söhne gerade auf Wanderschaft sind. Zuerst war ich mir nicht ganz sicher, was er damit meinte, aber es stellte sich heraus, dass sie mit der ganzen Familie in die Staaten ziehen, um dort Arbeit zu finden. Segundo war sehr traurig, als er erzählte, dass sie auf der Durchreise in Mexiko ausgeraubt wurden. Zum Glück scheinen alle wohlauf zu sein.
Juti ist mir den ganzen Abend nicht von der Seite gewichen. Wir haben gemeinsam zu Abend gegessen und später habe ich ihm noch eine Geschichte vorgelesen. Wie schön ist es doch, wenn man so gut Spanisch kann, dass man sich mit Einheimischen unterhalten kann. Mit Handzeichen hätte es zwar auch irgendwie geklappt, aber sicher nicht in der Tiefe.
Am nächsten Tag baute ich unter Jutis Aufsicht mein Zelt ab und machte mich auf zur letzten Etappe auf den Vulkan Quilotoa. Die vielen Höhenmeter machen einem ganz schön zu schaffen. Ich war zwar durch die vergangenen Wochen auf ca. 2300 m akklimatisiert, aber der Gipfel von 3800 m war dann doch nochmal eine ganz andere Nummer. Aber sicher eine gute Vorbereitung für die 3500 bis 5000 Höhenmeter, die mich in Peru am Huayhuash erwarten.
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