Unwetter in Huayhuash und der Verlust des Geldes
Plötzlich beginnt es zu schneien. Es ist nicht das erste Mal an diesem Tag, dass das Wetter plötzlich umschlägt. Ein paar Stunden zuvor ist schon leichter Hagel vom Himmel gefallen. Ich sitze gerade am Fuße meines letzten Passes vor meinem Lager für heute und meditiere. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Alle meine Sachen – das Zelt, der Schlafsack, meine Jacke – liegen ausgebreitet, um die Feuchtigkeit der vergangenen Nacht loszuwerden. Es dauert nicht lange und alles ist trocken.
Den Geist darauf trainiert, unwillkommenen Gedanken nicht allzu viel Raum zu geben, packe ich meine Sachen in die gewohnte Reihenfolge und mache mich wieder auf den Weg. Die Sonnenstrahlen werden nun von gelegentlichen Wolken zu einem kleinen Tanz aus Licht und Schatten eingeladen. Vorbei an drei Lagunen, die von den umliegenden Gletschern gespeist werden, finde ich einen Bach, an dem ich meine Trinkflasche auffülle. Noch 200 Höhenmeter bis zum Sattel. Kurz vor dem höchsten Punkt beginnt es zu schneien. Mit jedem Schritt scheint der Niederschlag stärker zu werden. Ich ziehe mir und meinem Rucksack eine weitere Decke über, um uns vor der Nässe zu schützen.
Der Schnee scheint nicht nachlassen zu wollen. Längst kann ich den Trail nicht mehr sehen. Die Kälte dringt langsam durch meine Haut. Die Sicht wird immer schlechter. Ich beschließe, mir eine ebene Stelle zu suchen und mein schützendes Zelt aufzuschlagen, um den Widrigkeiten zu entkommen. Noch bevor ich alle Heringe in den Boden geschlagen habe, wechselt die Farbe meines Zeltes von Neongrün zu Weiß. Ich kann mich und meine Ausrüstung einigermaßen trocken ins Innere von Nemo retten.
Ich schlüpfe in meinen Schlafsack und mache mir schnell eine Suppe zum Aufwärmen. Von innen und außen gewärmt wird die Situation gleich viel erträglicher. Immer wieder klopfe ich von innen an die Zeltwand. Der weiche Schnee fällt in Schwaden zu Boden. Eine Art Wall bildet sich um meine Herberge. Am nächsten Tag stellt sich heraus, dass meine Entscheidung, nicht weiter zu gehen, richtig war. Der Abstieg auf der anderen Seite des Passes wäre zu einer Rutschpartie geworden. Auch ein geeigneter Schlafplatz wäre erst in einigen Kilometern Entfernung zu finden gewesen.
Alle wollen mein Geld
Hier in Huayhuash haben die verschiedenen Gemeinden der Ureinwohner in uns Gringos (jeder Ausländer ist ein Gringo) eine gute Einnahmequelle gefunden, indem sie alle paar Kilometer Wegezoll verlangen. Noch bevor ich mit meinen vier Taxibegleitern, drei Briten und einem Franzosen, den eigentlichen Trail erreiche, wird der Bus zweimal angehalten und wir werden um ca. 20 € pro Person ärmer. Nicht, dass wir nicht schon vorher vom Busfahrer abgezockt worden wären. Wie sich im Laufe der Wanderung herausstellt, scheint es hier alle paar Kilometer, sozusagen in jedem Tal, eine andere Gemeinde zu geben, die ein Stück vom Gringo-Kuchen abhaben möchte.
Leider ist das Ganze sehr undurchsichtig. Irgendwo in der Pampa kommt plötzlich ein Männchen mit einem kleinen Quittungsblock auf einen zu und verlangt eine unbestimmte Summe. Niemand kann einem wirklich sagen, wofür man eigentlich bezahlt und für welchen Bereich die Gebühr dann gilt. Bei einem Verhandlungsversuch wurde mir versichert, dass dieses Ticket nun auch für das nächste Tal gilt. Leider wusste nur der gute Mann im nächsten Tal nichts davon.
Lange Beine hatte er auch nicht, nachdem ich ihn einfach stehen ließ mit dem Hinweis, dass ich mich hier nicht ständig belügen lasse. Die Polizei hat er nach seiner Drohung jedenfalls auch nicht gerufen. Ich hätte gerne gesehen, wie sie mich hier in den Bergen gefunden hätten.
Einem anderen Wächter des Weges habe ich später noch erklärt, dass ich kein Bargeld mehr habe, weil seine Kollegen mir schon alles aus der Tasche gezogen haben. Mit viel Murren und der anfänglichen Bitte, doch umzukehren, ließ er mich schließlich doch passieren. Was hätte er denn sonst tun sollen?
Ich verstehe nur zu gut, dass hier jeder versucht, irgendwie durchzukommen. Ich habe auch kein Problem damit, Eintritt für den Nationalpark zu bezahlen. Was mich gestört hat, ist, dass anscheinend jeder, der auf die Idee kommt, einen Rechnungsblock zu kaufen, sich hinstellt und die Hand aufhält, ohne einen wirklichen Mehrwert zu liefern.
Heiße Quellen
Wie immer habe ich nur einen groben Plan. Grundsätzlich gibt es zwei Routen, die um den Huayhuash herumführen, die traditionelle, etwas gemäßigtere Route und die Alpine Route. Ich versuche, so weit wie möglich auf der Alpinroute zu bleiben, weil sie die bessere Aussicht bietet. Doch am zweiten Tag lockten mich die Thermalquellen von Viconga wie Sirenen. Es war einfach zu verlockend, meinen geschundenen Körper nach einem eher kühlen Tag in natürlich heißem Wasser zu erholen. Dazu noch ein Bierchen und das Abendessen wurde mir von der Besitzerin zubereitet. Hier fand ich die 20 Soles Eintritt für den Gegenwert des heißen Wassers absolut gerechtfertigt.
Am nächsten Tag beschloss ich, wieder auf die Alpinroute zurückzukehren. Ich hatte mich noch mit dem Führer der Israelis, die bei den Thermalquellen campierten, unterhalten, ob die bevorstehende Querung, die auf der Karte wie ein Gletscher aussah, auch ohne Ausrüstung wie Steigeisen und Eisgerät möglich sei. Er meinte, mit etwas Vorsicht sollte es kein Problem sein. Wie sich herausstellte hatte er keine Ahnung.
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