Greater Patagonian Trail – Etappe 3
Ich bin selbst begeistert, wie gut hier in Chile alles funktioniert. Um von Sektion 1 zu Sektion 3 zu kommen, musste ich irgendwie versuchen, Sektion 2 zu umgehen, wie es von anderen Wanderern wegen zu viel Schnee empfohlen wurde.

Da es Sonntag war, fuhren keine Busse direkt vom Trail ab. Also streckte ich am Straßenrand den Daumen raus und wurde sofort von zwei älteren Damen mitgenommen. Zwei weitere Mitfahrgelegenheiten weiter, zwei ältere Herren, die mich beide weiter fuhren, als sie mussten, um mich zu meinem Bahnhof zu bringen. Von dort war alles einfach, schnell im Supermarkt einkaufen und nach einem weiteren Autostopp war ich schon am Anfang des Trails.

Der Landbesitzer am Anfang der dritten Etappe war nicht gerade begeistert, mich zu sehen. Er erklärte mir direkt, dass dies Privatgelände sei und ich hier nichts zu suchen hätte. Ihn hätten schon genug andere Wanderer genervt, die einfach ungefragt über sein Grundstück gelaufen seien. Deshalb hatte er extra ein Tor aufgestellt, das ich geflissentlich übersehen hatte. Ich hatte es zwar gesehen, obwohl ich aus einer anderen Richtung auf sein Gelände gekommen war, aber ich hatte mich entschlossen, es zu ignorieren.

Ich erklärte ihm, dass ich es aus der Richtung, aus der ich gekommen war, nicht gesehen hatte. Daraufhin machte er mich auf die vielen Schilder mit der Aufschrift „Privatgrundstück“ aufmerksam. Diese waren schwer zu übersehen, was ich ihm auch zugestand. Der Grund, warum er nicht möchte, dass Leute über sein Grundstück laufen, ist die Brandgefahr, die von Leuten ausgeht, die Lagerfeuer machen.

Ich blieb noch eine Weile stehen, während er sich mit seinen beiden Kameraden unterhielt. Ich wies darauf hin, dass der Trail auf Karten öffentlich zugänglich ist. Daraufhin entspann sich eine kurze Diskussion darüber, was Google mit all den Daten macht, die von den Wanderern aufgezeichnet werden. Ich hatte kein Wort von Google gesagt. Nach einer Weile sagte er, dass er für mich eine Ausnahme machen würde, worauf ich mich bedankte und im Gebüsch am Bach verschwand.

Zwei weitere Male wurde mir der Weg durch verschlossene Tore versperrt. Da niemand in der Nähe war, kletterte ich einfach drüber. Die Hirten halten hier ihre Tiere zusammen, so scheint es mir. Es tut niemandem weh, wenn ich schnell drüber gehe.

Der nächste Tag beginnt mit dem Aufstieg zum Pass, etwa 1000 Meter an einem kleinen Fluss entlang. Ich bin am Vortag absichtlich etwas weiter gegangen, weil ich wusste, dass ich an diesem Tag am Rio Claro ankommen wollte.

Mindestens einen Kilometer kam ich nur im Stop-and-Go vorwärts. Den Weg versperrte mir eine Kuhfamilie, die beim besten Willen keinen Platz machen wollte und stattdessen gemütlich vor mir her lief oder vor mir weg. Ein Ausweichen war lange Zeit keine Option. Vielleicht könnte Herdentreiber ein zukünftiger Beruf für mich sein. Erfahrung habe ich ja jetzt.
Die Meute hinter mir lassend, gab mir die Karte einige Kilometer, bis über den Pass hinaus, eine grobe Orientierungshilfe, aber den Weg musste ich selbst finden. Die Wege, auf denen ich unterwegs bin, werden normalerweise nur von den Herdenführern benutzt. So wunderte es mich kaum, dass es ab einer gewissen Höhe in ein offenes Feld mit Büschen überging. Immer wieder musste ich umkehren und einen neuen Weg ausprobieren, um an den Büschen vorbei zum Gipfel zu gelangen. Nach einer Pause auf dem höchsten Punkt ging es wieder hinunter ins Tal. Unterwegs erwartete mich ein dichter Wald aus Sträuchern, Dornenbüschen und ein Abgrund.

Auf der Karte war dieser Teil des Trails mit einer gestrichelten Linie markiert, was soviel bedeutet wie “hier bist du auf dich allein gestellt, viel Spaß”. Es hat mich sicher eine Stunde gekostet, einen gangbaren Weg durch die Streucher zu finden. Auf meiner GPS-Aufzeichnung sieht es bestimmt so aus, als hätte ich mich in einem Labyrinth verirrt. Wahrscheinlich trifft das auch am ehesten zu. Trotz langer Ärmel und Hosenbeine habe ich mir im Kampf mit der Flora einige Schürfwunden zugezogen, um dann plötzlich wieder auf einen Weg zu treffen, der wie aus dem Nichts zu kommen schien. Keine Ahnung, wer hier oben was zu suchen hat.

Unten im Tal erwartete mich bereits ein reißender Strom, den ich bestimmt fünf oder sechs Mal überqueren musste. Anfangs versuchte ich noch trockenen Fußes hinüberzukommen, gab aber bald auf, da er mit jedem Meter mehr Wasser führte.

Nach der letzten Überquerung mündet der relativ kleine Fluss in den Rio Claro, meinen Endgegner für heute. Erkennbar an seiner türkisblauen Farbe führt der Fluss Gletscherwasser, das er von den Berggipfeln in der Ferne hinab ins Meer bringt. So schön das Wasser anzusehen ist, so beängstigend ist die Kraft, mit der es an mir vorbeirauscht.

Ohne einen Umweg von 10 km über eine Brücke in Kauf nehmen zu wollen, suche ich mir eine Stelle, an der der Fluss etwas ruhiger wirkt. Generell ist es ratsam, Stromschnellen zu meiden und eine möglichst breite Stelle zu suchen. Viele Möglichkeiten boten sich mir nicht. Wie ich es schon in Neuseeland gelernt habe, habe ich meine gesamte Elektronik in einem Drybag ganz oben im Rucksack verstaut und meine Wanderstöcke eng am Rucksack befestigt. Brust- und Hüftgurt bleiben offen, um den Rucksack bei Gefahr leichter abwerfen zu können.
Mit bereits nassen Stiefeln und Hosen taste ich mich Stück für Stück voran. Meine 90 Kilo geben der Strömung am Rand noch genügend Widerstand, so dass es ein Leichtes ist, mich weiter in die Mitte zu wagen. Mit jedem Schritt zum anderen Ufer muss ich mich mehr und mehr gegen die Strömung lehnen. Das Wasser reicht mir schon bis zum Gesäß. Immer wieder rutsche ich ab, kann mich aber am nächsten größeren Stein wieder festhalten. Als ich schon ein Stück über der Mitte bin, gebe ich noch einmal alles und springe nach vorne. Geschafft, ich bin im seichteren Wasser und kann mich ans Ufer hangeln. Ich bin froh, dass es an diesem Tag ziemlich kühl war. Wäre es wärmer gewesen, hätte der Fluss sicher mehr Schmelzwasser geführt und eine Überquerung unmöglich gemacht. Bis auf eine Ecke des Zeltes, das ganz unten am Rucksack hing, bin nur ich bis zur Hüfte nass geworden.

Nach dem gestrigen Abenteuer war der heutige Tag eher unspektakulär. Zwei Pässe waren zu überwinden. Auf dem zweiten traf ich ein französisch-belgisches Pärchen. Von den beiden hatte ich schon in der Facebook-Gruppe gelesen. Sie waren es auch, die mir den Tipp gaben, den zweiten Teil besser nicht zu gehen, da dort noch zu viel Schnee liegt.

Am Tag zuvor habe ich immer wieder ganz frische Fußabdrücke im Matsch gesehen, die ich jetzt zuordnen kann. Ich hätte nicht gedacht, dass ich die beiden so schnell einholen kann, denn ihre Nachricht in der Gruppe war schon ein paar Tage alt. Da sie zwei Tage Pause in Coya gemacht hatten, kam es zu unserem Treffen.

Der restliche Weg bis hinunter ins Tal zu dem kleinen Dorf Aguas Buenas führte durch einen grünen Pinienwald, immer wieder einen kleinen Bach kreuzend. Die Vögel um uns herum zwitscherten ihr Liedchen, während ich mich schon auf eine warme chilenische Mahlzeit freute, die ich schließlich in dem kleinen Restaurant „Der Feigenbaum“ bekam. Wäre ich nicht kurz vor Schluss von einem Hund gebissen worden, wäre der Tag perfekt gewesen. So gibt es nur ein sehr gut.

Gibt es etwas, das euch interessiert? Worüber ich im nächsten Artikel schreiben könnte? Gerne unten kommentieren.




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