11 Fragen zum Jahresende
Ein Jahr geht zu Ende, das für mich in vielerlei Hinsicht völlig anders war als die letzten 20 Jahre zuvor. Es war das erste Jahr, in dem ich kein Geld mit meiner Arbeit verdient habe. Es war das erste Jahr in meinem Leben, in dem ich nicht in Deutschland war.
Die von Matze Hielscher gestellten Fragen zum Jahresrückblick habe ich für mich selbst beantwortet.
1. Was hat dieses Jahr zu einem guten Jahr gemacht?
Ich habe hauptsächlich das gemacht, was mir Spaß bereitet hat. Das heißt, ich habe mich an niemandem orientiert und mehr oder weniger in den Tag hinein gelebt, ohne große Pläne zu machen. Ich habe viel Zeit in der Natur verbracht und mich körperlich betätigt. Anstatt Geld anzuhäufen, habe ich es ausgegeben, um zu leben.
2. An welches Wochenende denkst du zuerst, wenn du an das Jahr 2023 denkst?
Da ich keinen normalen Alltag mit einer Arbeitswoche hatte, gab es für mich in diesem Jahr keinen Unterschied zwischen den Wochenenden und dem Rest der Woche. Es war ein fließender Brei von einem Tag zum anderen. Oft wusste ich nicht einmal, welcher Wochentag, geschweige denn, welches Datum war. Deshalb möchte ich ein Ereignis herausgreifen, das mich sehr beeindruckt hat und an das ich deshalb gerne zurückdenke. Meine Wanderung um den Alpamayo in Huaraz, Peru, war meine erste große Wanderung nach dem Te Araroa in Neuseeland. Es war das erste Mal, dass ich auf über 4000 Meter Höhe gewandert bin. Es war die beeindruckendste Landschaft, die ich bisher gesehen habe. Jeden Tag ein neuer Gletscher, der in der Sonne glitzerte, ein neuer Pass, den ich überquerte und der mir alles abverlangte. Wer schön sehen will, muss leiden.
3. Was hast du erreicht, was du zu Beginn des Jahres nicht für möglich gehalten hättest?
Vor ein paar Jahren hatte ich mir das Ziel gesetzt, auf über 5000 Meter Höhe Kaffee zu kochen und zu trinken. Das habe ich 2023 in Peru erreicht. Bis dahin war mir nicht klar, dass man so hohe Berge ohne spezielle Ausrüstung und nur mit ein paar Tagen Akklimatisation überwinden kann. So bin ich in Bolivien ohne spezielle Vorbereitung und Ausrüstung auf 6000 Meter gestiegen. Danach war ich zwar den Rest des Tages völlig erschöpft, aber es war ohne größere Schwierigkeiten machbar. Jetzt will ich noch höher. Ich habe gelernt, dass meine körperlichen Grenzen weit über das hinausgehen, was ich vorher für möglich gehalten habe.
4. Wer oder was war deine größte Versuchung?
Einen Gletscherpass alleine zu besteigen. Ich musste abbrechen, weil es mir zu gefährlich wurde. Mir fehlte die Erfahrung und die Ausrüstung. Mit Steigeisen hätte ich es sicher geschafft. Jetzt muss ich es auf ein anderes Mal verschieben. Mir ist klar geworden, dass ich in meinem bisherigen Leben nie wirklich an meine Grenzen gegangen bin. Alles lief immer innerhalb meiner Komfortzone ab.
5. Wie beeinflussen die Krisen in der Welt dein persönliches Leben?
Kaum. Gerade in diesem Jahr habe ich mich so wenig wie noch nie für das Weltgeschehen interessiert. Ich bekomme zwar am Rande mit, dass auf der Welt Kriege toben und Menschenrechte mit Füßen getreten werden, aber das erreicht mich nur, wenn es mir von Dritten erzählt wird. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich darauf viel Einfluss hätte, wenn ich mich mehr damit beschäftigen würde. Deshalb mache ich mir darüber nicht so viele Gedanken. Mitleid mit den Menschen, die davon direkt betroffen sind, habe ich trotzdem.
6. Worüber hast du am meisten diskutiert?
Über das Verhältnis von Arbeit und Freizeit bzw. selbstbestimmtes Leben. Wir vergessen viel zu oft, wie sehr wir unser Leben von der Arbeit bestimmen lassen und nicht umgekehrt. Gerade mit dem Abstand, den ich mir auf dieser Reise gegönnt habe, merke ich immer mehr, wie wichtig es ist, das zu tun, was mir Spaß macht und nicht alles um die Arbeit herum zu organisieren. Wenn ich mir die Fotos der letzten fünf Jahre anschaue, würde ich sagen, dass von den Hunderten oder gar Tausenden, die ich gemacht habe, nicht einmal drei bei der Arbeit entstanden sind. Das gibt mir zu denken, da Fotos ja in der Regel die freudigen Momente einfangen.
7. Wer oder was hat dich enttäuscht?
Vor meiner Reise hatten sich einige Freunde angekündigt, die mich besuchen wollten. Ich hatte befürchtet, dass es ein Planungschaos geben würde, alle unterzubringen. Das Gegenteil ist eingetreten. Bisher hat mich aus verschiedenen Gründen niemand besucht.
8. Worüber denkst du seit diesem Jahr anders nach?
Über Akzeptanz und das Warten darauf, dass sich die Umstände so ändern, wie ich es mir wünsche. Vor allem mein Umfeld werde ich mir in Zukunft genauer aussuchen und nicht darauf warten, dass es sich so ändert, wie ich mein Leben gestalten möchte. Akzeptanz bedeutet für mich, jeden sein eigenes Leben leben zu lassen. Ich nehme mir die Freiheit, meinen eigenen Weg zu gehen und warte nicht darauf, dass sich ein Weg für mich öffnet. Ich habe lange darüber nachgedacht, woanders neu anzufangen, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass ich es bin, der mit alten Mustern brechen muss, egal wo ich lebe.
9. Was hat sich in deinen Beziehungen verändert?
Ich habe verstanden, wie wichtig gute Beziehungen zu Familie und Freunden für mich sind. Direkt anzusprechen, wenn jemand persönliche Grenzen überschreitet, hat zu mehr Nähe geführt.
10. Was wäre, wenn 2023 das erfolgreichste Jahr deines Lebens wird?
Dann habe ich alles richtig gemacht. Aber da ich mich weiterentwickeln möchte, wird es nicht dabei bleiben.
11. Was möchtest du im Jahr 2024 lernen loszulassen?
Menschen mit Vorurteilen zu begegnen und sie tiefer zu verstehen, als es der erste Eindruck vermuten lässt.
Ich bin gespannt auf eure Antworten. Gerne unten kommentieren.
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