Diebstahl
An einem schönen, sonnigen Tag saß ich vor einem Café und las. Mein Rucksack steht direkt neben mir, wo ich ihn sehen kann. Plötzlich kommt eine ältere Frau vorbei, die ihrem Hund etwas von dem Wasser gibt, das auch neben mir steht. Ein Mann mit weißem Hemd und weißen Kopfhörern kommt dazu und streichelt den Hund und unterhält sich mit der Frau. Das war der Trick. Ich weiß nicht, ob der Hund als Ablenkungsmanöver eingeweiht war oder ob sein Frauchen dazu gehörte. Ich weiß nur, dass plötzlich ein anderer Rucksack neben mir stand. Der Dieb war schon außer Sicht.
In der Hoffnung, ihn doch noch zu finden, machte ich mich auf die Suche. Vergeblich. Neuer Rucksack, meine frisch gewaschene Wäsche und mein Tablet sind weg. Keine Ahnung, in welche Richtung er sich davon gemacht hat. Sowohl die Dame, die mit ihrem Hund noch einmal zum Napf kam, als auch der Barista haben den Mann gesehen und konnten ihn auch grob beschreiben.
In der Eile ist mir eingefallen, dass man seine Geräte ja verfolgen kann. Leider ist mein Tablet im Rucksack nicht ständig mit dem Internet verbunden. So bekomme ich nur Signale von anderen Samsung-Geräten, die sich in dessen Nähe befinden. Leider sehr ungenau. Ich schaue mich am letzten Platz um. Niemand scheint ihn gesehen zu haben.
Bei der Polizei war eine lange Schlange. Ich hatte keine Lust, auf sie zu warten. Bedrückt gehe ich zurück zum Hostel. Später am Abend treffe ich noch den Studenten Sebastian, einen Einheimischen, der mich ermutigt, bei einer Streife Anzeige zu erstatten. Der Polizist erklärt uns, wie solche Verbrechen ablaufen, dass es immer mehr werden und wohin die Elektronik gebracht wird. Genau dort, wo sich mein Tablet zwei Stunden nach dem Diebstahl zum letzten Mal gemeldet hat. Weder konnte ich ihn dazu überreden, dorthin zu gehen, noch riet er mir, es auf eigene Faust zu tun. Die Polizei selbst geht regelmäßig mit einem ganzen Bataillon dorthin, um die Läden auszuheben. Ohne wäre es zu gefährlich.
Resignation
Enttäuscht, dass nichts mehr passieren würde, suchte ich nach gebrauchten Tablets, die ich günstig erwerben könnte. Schließlich hätte ich gerne wieder eine Schreibmaschine. Facebook Marketplace hat die nervige Angewohnheit, mich ständig über neue Einträge zu informieren. Ich werde auf eines der Tablets besonders aufmerksam. Englische Tastatur, sehr selten hier in Chile, aber üblich in Neuseeland, wo ich meins gekauft habe, ein kaputtes Display, genau wie meines. Kein Zweifel.
Ich kontaktiere den Verkäufer und frage, ob es noch zu haben ist. Es ist verfügbar. Wir vereinbaren eine Zeit und einen Ort, wo ich es mir ansehen kann. Eine Metrostation in der Nähe meines Hostels. Die Polizei hatte ich schon völlig aus dem Spiel genommen. Ich hatte keine Hoffnung auf Unterstützung von den Kollegen in Grün. Auch wenn ich behaupte, dass es mein Tablet ist. Einen Kaufbeleg habe ich nicht.
Im Taxi auf dem Weg zum Übergabepunkt komme ich mit dem Fahrer ins Gespräch. Er hat großes Vertrauen in die Polizei (hier Carabineros genannt) und meint nur, ich solle es versuchen. Ich hätte ja nichts zu verlieren. Im Zweifelsfall könnte ich es immer noch kaufen. Er setzte mich direkt vor dem Präsidium ab und wünschte mir viel Glück.
Sondereinsatz
Anscheinend hatten die Polizisten gerade nichts zu tun, keinen Fall zu bearbeiten. Die Polizistin am rechten Tisch nahm über Funk Kontakt mit zwei Polizisten auf Fahrrädern auf und versicherte mir, dass sie am Übergabepunkt auf mich warten würden.
Ich fand es etwas merkwürdig, dass sie sich so offensichtlich positionierten. Ich sprach sie darauf an, aber sie schienen anderer Meinung zu sein. Nach einigem Hin und Her mit dem Verkäufer bestand er darauf, dass wir uns unten in der Metro treffen sollten. Leider waren die Polizisten nicht in der Lage, die Fahrräder allein zu lassen oder sie jemandem zu übergeben. So musste ich den Verkäufer überreden, mit mir nach oben zu kommen. Er schien mir ein ganz netter Kerl zu sein, nicht so, wie man sich einen Kriminellen vorstellt. Aber vielleicht ist das ja der Trick. Jedenfalls war er nicht der Typ, der mir das Tablet geklaut hat. Anscheinend wird hier arbeitsteilig gearbeitet.
Ich tat so, als würde ich das Tablet zum ersten Mal ausprobieren. Ich wollte keinen falschen Eindruck erwecken. Nachdem alles ok war, habe ich noch verhandelt. Das ist alles eine Frage der Geschichte. Am Ende habe ich ihn damit gelockt, dass er Geld abheben muss. Eine Finte, auf die er zunächst nicht direkt anbeissen wollte. Schließlich gab es in der Metro einen Automaten. Meine Ausrede war, dass ich zu einem Automaten gehe, wo ich keine Gebühren bezahlen muss. Was auch stimmte.
Auf dem Weg nach oben kamen uns schon zwei Polizisten entgegen. Sie riefen Verstärkung und waren jetzt bestimmt zu viert oder fünft. Ziemlich viel Aufwand, nur weil sie ihre Fahrräder nicht aus den Augen lassen konnten.
Der Verkäufer, Rodolfo, war nicht sonderlich überrascht, von der Polizei aufgegriffen zu werden. Während mein Herz ein bisschen schneller schlug, blieb er ganz ruhig. Es war aufregend, als Undercover-Agent mit der Polizei zusammenzuarbeiten.
Paperwork
Als wir zusammen auf der Wache ankamen, ich durfte zum ersten Mal in einem Streifenwagen mitfahren, war alles sehr bürokratisch. Die Daten von Rodolfo und mir wurden von mindestens drei oder vier verschiedenen Polizisten aufgenommen. Am Ende hatten sie eine ganze Liste von Dokumenten mit allen meinen Daten doppelt und dreifach aufgenommen.
Als meine Sachbearbeiterin nach einer Stunde eine andere „Kundin“ abwimmelte und meinte, das würde bestimmt noch zwei Stunden dauern, wusste ich, was auf mich zukommen würde. Es wurden vier Stunden. Meine Sandalen, die während meiner Wanderung einen sehr unangenehmen Geruch angenommen hatten, liefen auf Hochtouren. Ich war sicher nicht der Einzige, der sie gerochen hatte. Die arme Frau.
Nach der ganzen Warterei konnte ich mit meinem Tablet einfach abhauen. Ein Foto von mir und der Tablette genügte als Besitznachweis. Rudolfo hat selbst eine Anzeige aufgegeben, dass er auf Facebook auf die gleiche Masche hereingefallen ist. Ich glaube ihm nicht, denn er hat noch viele andere Tablets im Angebot, die sicher nicht alle auf legalem Weg zu ihm gekommen sind. Doch das soll nicht mein Problem sein.
Das war das dritte Mal auf dieser Reise, dass ich mit den Behörden zu tun hatte. Beide Male bin ich positiv überrascht worden.
Ist euch etwas Ähnliches passiert? Wie habt ihr das Problem gelöst?
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