Pyrenäen – Erste Schritte Richtung Mittelmeer
Wie es der Zufall wollte, trafen wir meine Freunde wieder, die mich schon in Neuseeland begleitet hatten. In Saint Jean treffen wir uns. Viele andere, mit leichteren Rucksäcken, die viel leichter zu sein scheinen als unsere. Sie ziehen nach Westen, wir nach Osten, den Pyrenäen entlang.
Die Sonne versüßt uns die ersten Tage, sie brennt, sie küsst unsere mit Sonnencreme verschmierte Haut. Ich habe weiße Flecken im Gesicht. Den Durst löschen wir mit frischem Wasser aus Bächen und Flüssen. Wie immer schmeckt es köstlich. Vielleicht ist es mein Lieblingswasser.
Die hügelige Landschaft verwöhnt uns mit einigen Metern Höhenunterschied. Es fühlt sich nicht viel an, ab er es macht uns müde. Stück für Stück, bis wir in unsere mitgebrachten Betten fallen.
Auch die Küche haben wir im Rücken. Es gibt Nudeln mit Soße. Tagsüber essen wir Wraps oder ein paar Riegel. Zum Frühstück gibt es Hafer. Den mögen auch die Pferde, denen wir auf der Weide begegnen.
Manchen, die weniger geübt sind, tun in den ersten Tagen Hüfte und Füße weh. Ich kann nicht klagen. Trotz schlechtem Schlaf schaffe ich gute Kilometer. Nur gegen Abend komme ich an meine Grenzen. Mein Tritt wird unsicher. Meine Gedanken kreisen nur noch um das eine: absteigen, aufsteigen, essen und hinlegen.
Die Freude und die Einfachheit des Tages tun mir wie immer gut. Schnell sind meine Gedanken an so etwas wie Alltag verflogen. Am zweiten Abend enden wir an einer Wegbiegung, wo ein kleiner Pfad am Fluss entlang in den Wald hineinführt. Ich folge ihm, um Wasser zu holen, meine Notdurft zu verrichten und mich zu waschen.
Später entdecke ich einen kleinen Wasserfall. Ich folge dem Bach weiter, um ihn zu erkunden. Ein Reh hat es nicht über den Graben geschafft. Es liegt regungslos im Bach. Wir versuchen es herauszuziehen, weiter bachabwärts, wo es nicht das Trinkwasser verschmutzen kann. Mit ein paar Stößen gelingt es. Seba und ich benutzen Stöcke. Wir wollen es nicht berühren.
Am dritten Tag ein Sturm. Mein Zelt hält ihm nicht stand. Stangen brechen, wir schlafen in einer Hütte, teilen uns den Boden und entkommen so dem Sturm. Mein Zelt ist tot. Mein geliebtes Zelt. 5000 Kilometer hat es mich auf dem Rücken begleitet. Ich breche früh am Morgen auf. Weiter kann ich nicht. Ich muss den Bergen für einen Tag entfliehen.
Man nimmt mich mit. Ich fahre zurück nach Bayonne, wo wir vor ein paar Tagen waren. Stunden später, zwei nette Leute und zwei Busse. Im Decathlon kann man mir nicht helfen. Ich kaufe ein neues Zelt und schicke das alte nach Hause. In der Sonne zwei Bier und armenisches Essen. Ich genieße jeden Strahl, jeden Schluck, jeden Bissen. Am Morgen geht es schon wieder zurück, in umgekehrter Reihenfolge. Die Franzosen sind nett, nehmen mich mit, helfen mir.
Ich merke, dass hier an der Grenze alle Spanisch sprechen. Wie mir das das Leben erleichtert. Mein Französisch geht kaum über Gebäck und Danke hinaus. Grüßen kann ich noch, aber das ist auch schon alles. Zurück bei meinen Freunden erwartet mich noch mehr Gastfreundschaft und ein trockenes Plätzchen zum Verweilen.
Das Essen ist fantastisch. Spezialitäten aus der Region. Ich vergesse für einen Moment, dass ich Vegetarier bin, oh der Schinken, oh der Käse, was für eine Blutwurst. Das neue Zelt ist toll. Hier kann man Gurke sein. Was will man mehr.
Der erste hohe Pass, fast 2000 Meter. Das Wetter ist gut genug, wir sind motiviert, Fabian motivierter denn je. Er grinst über beide Backen, als er den Pass sieht. Laufen inspiriert und gibt Raum. Wir unterhalten uns, es wird etwas tiefer. Der Regen lässt nach und kommt bald wieder.
Meine Brille ist nass, ich erahne mehr vom Trail als ich sehe. Der Pass ist passabel, aber steil. Man muss fast klettern. Auf der anderen Seite erwartet uns ein saftiges Tal mit Felsen. Wir rollen hinunter und erfreuen uns an den saftigen Wäldern, die in Nebel gehüllt sind.
Ein Tag geht zu Ende. Ich lasse mich von argentinischer Poesie zum Schreiben motivieren. Es funktioniert, es steht da, ich bin zufrieden. 100 Kilometer und mehrere tausend Höhenmeter liegen hinter uns. Ich bin gespannt, was uns die nächsten paar hundert bringen. Sicher noch mehr Höhenmeter. Wir kratzen erst an den richtigen Berge.
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